Das Auftreten der jungen Pianistin Johanna Summer im Jahr 2020 war etwas Besonderes. Fast schien es, als seien einige ihrer prominenten Kollegen zum Wettbewerb der Superlative angetreten. Sie hatte gerade Geist und Fragmente Robert Schumanns in ihrem Album „Schumann Kaleidoskop“ durchleuchtet und verfremdet. Igor Levit hörte „eine herausragende Jazzpianistin. Sie ist so zentriert und bei sich, geht souverän und frei mit Material um und trifft ihren eigenen Ton“. Malakoff Kowalski formulierte: „Skandalös gut!“, und Joachim Kühn staunte über Musik „voller Fantasie und ohne Kategorie. Von der Klassik kommend, schafft sie etwas Eigenes“.
Genau um dieses Eigene geht es. Bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr spielte sie ausschließlich klassische Musik. Dann studierte sie Jazzklavier in Dresden und lernte durch Günter Baby Sommer Improvisation zu schätzen. Dies traf sich mit ihrer Charaktereigenschaft: Mut und Interesse für Dinge zu haben, die man noch gar nicht kann.
Konsequent arbeitete Johanna Summer fortan daran, aus der Flut der Informationen, die ihre Generation mehr ausbremst als anfeuert, das zu filtern, was weiterbringt, und daraus dann ihres zu destillieren. Also einen Weg vom Objekt zum Subjekt zu finden.
Ihre Auftritte sind keine Bilderstürmerei oder Konzeptarbeit, sondern lebendige Momente, in denen sich ein Stück wie von selbst spielt und seine kleinen Rätsel bewahrt.
Das erworbene Selbstverständnis der Johanna Summer ist eine Voraussetzung für ihr müheloses Mäandern, für ihr so selbstverständliches Hin und Her zwischen klassischem Konzertsaal und Jazzclub. Es ist einmalig, wie unangestrengt, konsequent und logisch sie dem Jazz einschreibt, was ihrem klassischen europäischen Bildungsweg immanent war. Ihre Improvisationen klingen dabei wie Kompositionen. Und umgekehrt.
Ulrich Steinmetzger